Feuer und Flamme für Florian und Florentine

Mädchen-Boom bei der Bühler Kinder – und Jugendfeuerwehr / Nachfrage übersteigt fast die Ausbildungs- und Betreuungskapazitäten

Von Gerold Hammes

 

Bühl.  Günter Dußmann ist sprichwörtlich Feuer und Flamme. Obwohl er diese Aggregatzustände zutiefst verachtet und – berufsbedingt –  mit voller Hingabe und bis zur physischen Erschöpfung bekämpft. Was den Bühler Feuerwehr-Kommandanten emotional so entflammt, ist die existenziell so bedeutsame Entwicklung im Nachwuchsbereich der Löschen-, Retten- und Bergen-Organisation. Wenn heute – im positiven Sinne – die Alarmglocken schrillen, ist dies der schier unfassbaren Zunahme an Mädchen in der Kinder- und Jugendfeuerwehr geschuldet. Sie machen inzwischen fast ein Drittel der Gruppenarbeit aus. Ein fürwahr  geschlechtsspezifischer Flächenbrand, den Dußmann partout nicht bekämpfen, sondern weiter anfachen möchte.

 

Der Wettbewerb um die Nachwuchsgenerierung ist traditionell hart umkämpft. Neben der sogenannten Blaulichtfamilie wie Feuerwehr, Rettungsdienst, THW und natürlich auch Polizei buhlen vornehmlich sportlich oder musisch-gesanglich orientierte Vereine um den Nachwuchs. Den Feuerwehren  Bühl, aber auch Rheinmünster obliegt das Verdienst, in Sachen Zukunftssicherung eine Vorreiterrolle eingenommen und Pionierarbeit geleistet zu haben – und das landkreisweit und über Regierungsbezirksgrenzen hinweg. Seit Anfang der 2000er Jahre gibt es in der Zwetschgenstadt eine Kinderfeuerwehr (sechs bis neun Jahre) und eine Jugendfeuerwehr (zehn bis 17 Jahre). Die Gründung war unter anderem eine  Reaktion auf in Konkurrenz stehende Sportvereine, in denen es „Bambini-Gruppen“ gab, die ihrerseits junge Grundschüler an sich banden. „Und die Feuerwehren blieben auf der Strecke“, rekapituliert Dußmann die bittere Bilanz. Ergo waren Kreativität und Innovationsbereitschaft gefragt. Anlaufstellen waren Kindergärten und Schulanfänger, um dort für die Tatütata-Truppe zu trommeln. Im Wissen, dass Blaulichtgewitter und Martinshörner eine elektrisierend-magische Wirkung auf   junge und mithin notorisch neugierige Menschen ausüben. Der Erfolg des Löschangriffs blieb nicht aus: Kita-Kinder und Grundschüler kommen seither regelmäßig zu Besuch in die Bühler Feuerwache beziehungsweise in die Feuerwehrhäuser der Stadtteile.

Aktuell bilden 145 Sprösslinge die Kinderfeuerwehr (davon 44 Mädchen!) und 72 die Jugendfeuerwehr (17). Der Anteil des weiblichen Geschlechts ist nicht nur exorbitant hoch, sondern nimmt tendenziell sogar zu. Der Kommandant hat hierfür folgendes Erklärungsmuster: „Die Gleichberechtigung kennt längst keine Altersgrenzen, kein klassisches Freizeitverhalten oder phänotypische Berufswahlprioritäten mehr. Und das ist für jede(n) Einzelnen sowie die gesamte Gesellschaft gut so!“

Der Aufwand, den die inzwischen 60 ehrenamtlichen Jugendfeuerwehr-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter um Angelika Meier und Jochen Boos (Kernstadt) leisten, kommt einem mittleren Großeinsatz gleich: Er reicht von der Einkleidung mit T-Shirts, Hosen und Jacken (Kinder) bis zu Helmen, Stiefeln, Handschuhen und separaten Winterjacken (Jugendliche). Neben der „Dienstkleidung“ muss aber auch das abwechslungsreiche Rahmenprogramm sitzen. Es umfasst neben der feuerwehrtechnischen Ausbildung und der Vorbereitung zu Leistungswettbewerben auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit sozialen Themen (Besuch von Altenheimen oder anderer Jugendorganisationen) oder Aktivitäten für den Umweltschutz. Selbstredend kommen auch Spieleabende und gesellige Anlässe nicht zu kurz. Absoluter Höhepunkt ist im November die Begleitung und „Sicherung“ des Martins-Umzugs durch die Bühler Innenstadt einschließlich der Überwachung des Martins-Feuers.

Das beispielhafte Engagement des Betreuerteams trägt dankenswerterweise Früchte: 70 bis 75 Prozent der Sechs- bis 17-Jährigen bleibt dem Feuerwehrwesen treu und der Bühler Wehr erhalten. Danach werden sie behutsam an den Aktiven-Dienst herangeführt; je nach Ausbildungs- und individuellem Entwicklungsstand und selbstredend noch nicht an vorderster Front.

Dort aber stehen die Truppführer, Maschinisten und vielleicht sogar Kommandanten von morgen bereits Schlange. Konkret: Die Nachfrage von Kindern und eben von immer mehr Mädchen zur Aufnahme in die Bühler Jugendfeuerwehr übersteigt bereits das Kapazitätspotenzial. Als Folge mussten Gruppen unterteilt und das Betreuungspersonal aufgestockt werden. Ein „Aufnahmestopp“ war und ist für Günter Dußmann keine Einsatz-Perspektive: „Das wäre in hohem Maße kontraproduktiv, das spricht sich herum, und wir verlören ganze Generationen.“

So aber kann sich die Bühler Feuerwehr den Luxus leisten, dass der Nachwuchs numerisch fast an den Stamm der Aktiven (256) heranreicht. Und überhaupt: „Man kann nie genug Nachwuchs haben“, sagt der Kommandant. „Wir brauchen die Breite und jeden Mann.“ Und natürlich jede Frau.

 

Tatütata, die Bühler Kernstadt-Kinderfeuerwehr ist mit Begeisterung zur Probe da. Links im Bild Kommandant Günter Dußmann

Foto: Gerold Hammes

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